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Wer schön sein will

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… muss leiden. So ein Quatsch! Das ist das erste, was mir durch den Kopf geht. Wer hat das eigentlich gesagt? Warum? In welcher Situation? Beim Zuschnüren des Korsetts? Beim Rasieren der Beine? Beim Flechten der RastaZöpfe? Beim Hungern? Beim Erbrechen? Beim Aufenthalt auf der Toilette wegen der genommenen Abführmittel? Beim Auftragen der HämorrhoidenSalbe auf die dunklen Augenringe?

Erst kürzlich stand ich selber vor dem Spiegel und dachte: Och Mann! Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt. Kam mir schwerfällig und unpassend vor. Habe nach Merkmalen gesucht, die mich als rage hübsch machen. Schön. Die ein oder andere Sache, das ein oder andere Körperteil fand ich dann doch ganz passabel. Mal abgesehen davon, dass ich mich seit dem Reduzieren und dem Zurechtrücken der Dinge, die mir wirklich wichtig sind, sehr viel besser fühle und auch ein ganz anderes KörperGefühl entwickelt habe. Ein gesünderes, wie mir scheint. Es geht nicht mehr um BMI – heißt doch so, oder?!? Es geht um fit sein, auf Bäume klettern können und Leben leben. Das ist so befreiend. Aber vor gar nicht langer Zeit, war das noch anders. Da fiel der Blick in den Spiegel nicht so wohlwollend aus. Das verlief eher so:

Ich blicke in den Spiegel. Suche nach Schönheit. Passablen Körperteilen. Einem winzigen gutaussehenden Teil meiner Selbst. Leider ohne Erfolg. Kurze Zeit später gehe ich durch die Stadt und mir begegnen einige junge Frauen und Mütter, bei denen sich  in meiner AugenSoftware ein SofortScreening einstellt. “Schön.” – “Sehr schön.” – “Kann ich nicht mithalten.” – “Nicht hübsch.” – “Kann mithalten.” – “TopModell.” – “SuperMom.” – Ich… pffh.

Seitdem wir reduziert haben, das Inventar weniger geworden ist, wir eine ErnährungsWeise gefunden haben, die zu uns passt, wieder Zeit für wirklich wichtige Dinge finden: Treffen mit Freunden, Zeit mit den Kerlen, Spinnen von Visionen, Umsetzen von Abenteuern… seitdem spielen BodyMaßIndex, biologisches Alter und KörperFett einfach keine Rolle mehr. Sie werden viel mehr der Kategorie “Verlorene Zeit” untergeordnet.

Vor ein paar Tagen bin ich einer Frau über den Weg gelaufen, da habe ich nach langer Zeit nochmal gedacht: “Boar, ist die hübsch. Wunderschön, sogar. Ach, wenn ich doch auch so aussehen könnte. Ich würde die Blicke auf mich ziehen… Ich müsste wohl erst mal abnehmen.” Dann blicke ich ihr hinterher und stelle fest, diese Frau ist bestimmt 20-30 Kilo schwerer als ich. Mhm. Und dann?

Dann lese ich zufällig diesen Artikel in der taz. Ich bin geschockt. Er weist u.a. auf einen Text von Lara Fritzsche im SZ-Magazin hin: Unschwanger aussehen, obwohl schwanger und umgekehrt?  Und ich schließ mich an und finde: Ja! Tanzen und HimmbeerTorte essen, Margarete Stokowski. Weil mir danach ist. Großartig. Yes, we can! Hübsch sein, schön sein, Menschen durch die eigene Gegenwart verzaubern, das macht nicht (nur) das Äußere, auf das wir uns so häufig reduzieren. An der Stelle ist reduzieren und Minimalismus echt mal völlig unangebracht. Es ist irgendwas anderes, dämmert es mir. Dann sind wir in einem FastFoodRestaurant, weil die Kerle Pommes haben wollen. Wer bedient uns? Ein Mädchen. Ich habe keine Ahnung, wie alt sie ist. 20? 18? 16? 15? 12? Elle und Speiche sind ganz klar zu erkennen, zu ertasten. Ihre Hände sind riesengroß. Viel zu groß für den Rest ihres Körpers. Sie trägt Kleidung, die ein 8-Jähriger tragen könnte. Ihr Gesicht wirkt eingefallen. Der Schädel, auf dem sich vorne das Gesicht befindet, zeichnet sich mit seinen kantigen Konturen ab. In einem FastFoodRestaurant. Was sucht so ein Mädchen an einem solchen Ort? Ist das Teil der Therapie? Ihr zu zeigen, wie richtig essen geht? Richtiges Essen von fettigen Pommes. Ich bin wirklich geschockt. Ich würde so gerne was sagen. Ihr helfen. Aber ich starre nur. Und dann kommt der Schock, dass sie bestimmt denkt, ich schaue sie so an, weil ich denke sie sei fett. Mein Blick stürzt auf das abgezählte Geld in meiner Hand.

Als ich gestern dann endlich nochmal ins Netz komme, nachdem das DSL wieder verfügbar ist, erscheinen in meiner twitter TL zwei Beiträge von einer Frau, die ihre HungerLeidensGeschichte aufgeschrieben hat. Ich könnte heulen. Was wäre, wenn diese Frauen einfach woanders geboren worden wären? Woanders – nicht in diesen IndustrieLändern? Ich glaube, es liegt nicht nur an den Medien. Wenn gleich sie nicht dazu beisteuern, dass der Druck, der auf diesen Menschen liegt leichter wird. Aber das SelbstwertGefühl dieser Mädchen und Jungen, Frauen und Männer – irgendwo ist es auf der Strecke geblieben. Und irgendwie festigt sich in mir der Gedanken, dass es mit unserer so hochentwickelten, zivilisierten IndustrieGesellschaft zusammenhängt.

Ich würde das so gerne ändern. Diesen Frauen so gerne Halt geben. Aber ich weiß nicht wie? … Weder wusste ich es im FastFoodCenter noch weiß ich es jetzt. Aber ich bin froh, dass es Menschen gibt, die diesen Schmerz und Kummer aufschreiben. Ihn öffentlich machen. Auf das wir unsere Energie gegen solches Leid und für diese Menschen einsetzen. Wie? Darauf wünsche ich mir jetzt noch eine Antwort. Oder auch zwei oder drei…


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